Glasstrukturforschung

(Dörte Stachel)


Forschungsarbeiten zur Struktur der Gläser haben im Otto-Schott-Institut eine lange Tradition. Sie umfassen neben Untersuchungen zu Phasentrennung und Kristallisation unterschiedlichster Glassysteme chemische, spektroskopische und sonstige festkörperanalytische Messungen, die einen Bezug zur Struktur der Gläser haben. Derzeitige Schwerpunkte sind neben der Untersuchung von Konzentrations-Eigenschafts-Relationen und ihr Bezug zu Strukturänderungen vor allem Untersuchungen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen geordneten kristallinen und weniger geordneten glasigen Strukturen bei gleicher chemischer Zusammensetzung zum Inhalt haben. Diese konzentrieren sich auf die Detektierbarkeit vermuteter Änderungen in der Glasstruktur als Funktion der Konzentration, Temperatur, Schmelz- und Abkühlbedingungen, der Wirkung von Haupt- und Nebenkomponenten sowie der Wechselwirkung der Struktur der Gläser mit Atmosphärilien und verwendetem Tiegelmaterial. Mit der Verfügbarkeit sog. „struktursensitiver" physikalisch-chemischer Meßmethoden (Infrarotspektroskopie, hochauflösender Festkör per-Kernresonanz-Spektroskopie, Beugungsmethoden, insbesondere Röntgen- und Neutronenbeugung im Bereich kleiner und mittlerer Winkel) ist es in den letzten Jahren möglich geworden, mehr zur molekularen Ordnung und Ordnung der mittleren Reichweite in Gläsern zu erfahren. Durch direkten Vergleich mit Strukturmustern kristalliner Verbindungen ist es gelungen, die Möglichkeiten und Grenzen der modernen Meßmethoden wesentlich zu erweitern und ihre Sicherheit in der Interpretation der Glasstruktur zu erhöhen.

Weitere Aufgaben bestehen in der Suche nach neuen glasbildenden Systemen, neuen Glaskeramiken mit bestimmten Kristallphasen (z. B. Titanit, Amphibol- und Pyroxenphasen, Zeolithen) sowie der Optimierung von Gläsern und Glaskeramiken bezüglich ihrer Eigenschaften für die Anwendung in der Praxis. Nicht zuletzt wurden diese Erkenntnisse für planmäßige Werkstoffentwicklungen auf dem Gebiet der Gläser, teilkristallinen und keramischen Materialien genutzt. Weitere angewandte Forschungen betreffen Charakterisierung, Bildung und Auflösung von Glasfehlern, insbesondere Siliciumeinschlüssen, Metallen und Metallsulfiden (vornehmlich unterschiedlicher Nickelsulfide) sowie spezieller oxidischer Einschlüsse (chromhaltiger und zirkonhaltiger), schwerpunktmäßig in Behältergläsern. Methodische Arbeiten zur Thermoanalyse kompakter Probekörper (Laboraufbau zur Dynamischen Multi-Simultanen Thermo-Analyse "DMS-TA" und damit verbundene Mess- und Materialcharakterisierungsprobleme) sowie grundlegende Arbeiten zu einer speziellen Verfahrensentwicklung wurden in den letzten Jahren ergänzend etabliert.